«Ich fühle mich freier»: Schule blockiert Handys – und die Kinder lieben es
An einer Schule in Santiago de Chile herrscht seit Kurzem Funkstille. Zumindest auf den Smartphones, denn die Schule blockiert das Handysignal der 13- und 14-jährigen Kinder. Statt TikTok, Instagram oder WhatsApp spielen die Schülerinnen und Schüler nun Volleyball, Basketball, Pingpong oder reden einfach miteinander.
Und es zeigt sich, dass die Teenager vom internetfreien Leben profitieren. «Ich fühle mich freier, verbringe mehr Zeit mit meinen Klassenkameraden», sagt ein 14-Jähriger einer Reporterin der Nachrichtenagentur AP. «Ich spiele viel, treibe viel mehr Sport. Früher habe ich meine Zeit mit meinem Handy verbracht und mir TikTok und Instagram angesehen.»
In den Pausen gehe es jetzt sehr lebhaft zu, berichtet auch der Schulleiter. In den ersten Tagen sei die Umstellung spürbar gewesen. Um die Aktivitäten unter den 13- und 14-jährigen Kindern anzukurbeln, habe man Brettspiele organisiert und auch Meisterschaften veranstaltet. Und mittlerweile sind Kinder, Lehrkräfte und auch Eltern vom Programm überezugt.
Die Kinder müssen dabei ihre Handys nicht abgeben, sondern können sie behalten, einfach in einer speziellen Schutzhülle, welche alle Signale blockiert. Für die Kinder ist das einfacher, als wenn ihre Geräte weggesperrt werden, wie sie berichten.
Nach dem Erfolg wird das Programm nun ausgeweitet. Dazu beigetragen haben auch schlechte Noten in internationalen Tests und ein Bericht, dass viele Kinder von den Smartphones abgelenkt sind.
«Diese Geräte wurden entwickelt, um Leute süchtig zu machen», sagt Pädagogin und Expertin Carolina Pérez im AP-Beitrag. Sie hat das Buch «Secuestrados por las pantallas» (Entführt durch die Bildschirme) zum Thema geschrieben. «Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass ein Smartphone nur dann gesund genutzt werden kann, wenn es von Kindern über 16 Jahren verwendet wird.»
Handyverbote auch in Australien, Nordamerika und Europa
Chile ist kein Einzelfall. In Australien haben mehrere Bundesstaaten bereits Smartphone-Verbote an Schulen eingeführt. In Victoria und New South Wales müssen Handys morgens abgegeben werden. In Kanada experimentieren Provinzen wie Ontario mit ähnlichen Regeln.
In den USA setzen einige Schulen verschliessbare Taschen ein, die Handys während des Unterrichts unzugänglich machen. Diese «Yondr pouches» werden von den Schülerinnen und Schülern gut akzeptiert, da sie die Vorteile sehen. Auch die Schulen berichten von besserem Verhalten der Kinder, mehr Gesprächen und anderen Aktivitäten. Eltern berichten sogar von sinkendem Handykonsum zu Hause.
Auch in Europa wächst die Bewegung: Frankreich hat seit 2018 ein Handyverbot an Grund- und Mittelschulen, dieses wurde nun ab September 2025 auch auf alle Kinder im Alter von 11 bis 15 Jahren erweitert. Bringen Kinder ihre Geräte mit in die Schule, können sie diese entweder in einem Fach oder einer Hülle wegsperren.
In den Niederlanden und Griechenland gilt seit 2024 ein Handyverbot an Schulen, in Italien wurde es per September 2025 auf alle Schulstufen ausgeweitet.
Es gelten jeweils Ausnahmeregeln für Kinder, welche aus medizinischen Gründen auf das Smartphone angewiesen sind. Zudem gibt es einzelne Ausnahmen im Unterricht, wenn Handys als Lernmittel oder in der Medienschulung genutzt werden.
Grundsätzlich werden aber immer mehr Schulen zur handyfreien Zone und die Resultate sind überall ähnlich: Die Pausen werden als geselliger beschrieben, die Schülerinnen und Schüler reden wieder mehr miteinander.
Wissenschaft empfiehlt eingeschränkte Smartphone-Nutzung
Die Erfahrungen aus Chile und anderen Ländern spiegeln wider, was die Forschung seit Jahren zeigt: Weniger Smartphone-Nutzung in der Schule bedeutet mehr Konzentration, bessere Leistungen und weniger Stress. Eine OECD-Analyse von PISA-Daten belegt, dass exzessive Handynutzung im Unterricht mit schlechteren Ergebnissen in Mathematik und Lesen korreliert.
Auch die UNESCO warnte 2023 in einem Bericht, dass übermässige Smartphone-Nutzung das Lernen beeinträchtigt und forderte Länder auf, klare Regeln zu setzen.
Besonders eindrücklich sind die Erkenntnisse zur psychischen Gesundheit. Studien zeigen, dass Jugendliche, die mehr Zeit mit dem Handy und in sozialen Medien verbringen, häufiger unter Angststörungen, Schlafproblemen und Depressionen leiden. Aktuelle Metaanalysen bestätigen den Zusammenhang zwischen Bildschirmzeit und verminderter Lebenszufriedenheit.
Weitere Studien laufen, da in der Wissenschaft noch über Kausalität und Korrelation debattiert wird. Es geht um die Frage, ob nicht auch andere Faktoren zu den Problemen beitragen und beispielsweise die familiäre oder gesellschaftliche Situation zu mehr Handynutzung und schlechterer mentaler Gesundheit führt.
US-Psychologe Jon Haidt empfiehlt Smartphone ab 14, Social Media ab 16
Der US‑Psychologe Jonathan Haidt hat diese Debatte mit seinem Buch The Anxious Generation populär gemacht. Er beschreibt die «Great Rewiring of Childhood», also eine Kindheit, die durch Smartphones und soziale Medien geprägt ist, mit massiven Folgen für die seelische Gesundheit.
In seinem neuen Buch The Amazing Generation betont er aber auch die Chancen: Mit klaren Regeln und einem späteren Einstieg können Smartphones nützlich sein, etwa für Kreativität, Lernen und soziale Organisation. Seine Empfehlung: Smartphones frühestens ab 14, Social Media ab 16.
In Australien ist Social Media für unter 16-Jährige bereits verboten, in Europa werden ähnliche Gesetze derzeit in mehreren Ländern diskutiert. Auch in den USA und Grossbritannien gibt es Gesetzesentwürfe. Vielerorts ist das genaue Alter für das Verbot noch umstritten, also ob es bis 13, 15 oder 16 wie in Australien gelten soll.
Handyfreie Zonen auch zu Hause
Auch ohne staatliches Verbot können Eltern ihren Kindern helfen, gesunde Gewohnheiten zu entwickeln. Handyfreie Zonen wie Schlafzimmer und Esstisch, klare Nutzungszeiten, ein klares Mindestalter für die Handynutzung sowie ein späterer Einstieg ins Social-Media-Leben sind einfache, aber wirksame Schritte. Wichtig ist auch das Vorbild: Wer selbst ständig scrollt, macht es schwer, Grenzen glaubwürdig zu vermitteln.
Die Forschung und Erfahrungen aus Schulen zeigen eigentlich klar, dass Kinder profitieren, wenn ihnen mit der Social-Media- und Handy-Sucht geholfen wird. Sie werden wieder selber kreativ, reden und spielen miteinander.
Es ist eine Rückkehr zum handyfreien Leben, das die Eltern noch kennen und ihren Kindern eigentlich auch wünschen. Und zwar nicht im nostalgisch verklärten Sinn, sondern eine wissenschaftlich fundierte Empfehlung mit konkreten, positiven Auswirkungen auf den Schulerfolg und die mentale Gesundheit.
Quellen
Pediatric Research: Smartphone use, wellbeing, and their association in children
CDC: Associations Between Screen Time Use and Health Outcomes Among US Teenagers
UN: UNESCO education report advises appropriate use of technology in schools
Clinical Psychological Science: Increases in Depressive Symptoms, Suicide-Related Outcomes, and Suicide Rates Among U.S. Adolescents After 2010 and Links to Increased New Media Screen Time
Jonathan Haidt: The Anxious Generation
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