Mehr Fokus, weniger Grübeln: So verändert Achtsamkeit das Gehirn
Achtsamkeit ist längst mehr als ein Wellbeing‑Trend. Programme wie Mindfulness‑Based Stress Reduction (MBSR), entwickelt von Jon Kabat‑Zinn, gehören heute zu den am besten erforschten Methoden, um Stress zu reduzieren und das Wohlbefinden zu steigern. Neueste Studien zeigen nun, dass Achtsamkeitstraining nicht nur subjektiv wirkt, sondern messbare Veränderungen im Gehirn und Verhalten bewirkt. Bereits mit kurzen, regelmässigen Übungen winken positive Effekte wie mehr Aufmerksamkeit, bessere Emotionsregulation und weniger Grübeln.
Grübeln reduzieren und inneres Wachstum fördern
Eine Studie nutzte achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie (Mindfulness Based Cognitive Therapy MBCT) bei Patientinnen und Patienten nach einem akuten Schlaganfall. Das Training kombiniert Elemente von MBSR nach Kabat-Zinn und der Verhaltenstherapie bei Depression. Die Teilnehmenden hatten nach dem Training viel weniger aufdringliche, belastende Gedanken, die sich immer wieder ungewollt in den Kopf drängen. Gleichzeitig konnten sie aus der traumatischen Erfahrung etwas Positives mitnehmen, zum Beispiel neue Stärke, mehr Dankbarkeit oder ein klareres Gefühl dafür, was im Leben wichtig ist. Neben weniger depressiven Symptomen berichteten die Teilnehmenden auch von mehr Zuversicht und Selbstfürsorge. Die Ergebnisse dieser im Fachmagazin Medicine veröffentlichten Studie zeigen, dass achtsamkeitsbasierte Verfahren selbst unter schwierigen medizinischen Bedingungen wirksam sind und Grübeln spürbar abschwächen können.
Das zeigt auch eine aktuelle Studie zum EmotionCore Mindfulness Training, erschienen in Frontiers of Psychology. Das fünfwöchige Achtsamkeitsprogramm legt den Fokus auf Emotionserkennung und Emotionsregulation. Es beinhaltet geführte Meditationen sowie Übungen zur Wahrnehmung von Gefühlen, Strategien zum “Reframing” (positive Umdeutung belastender Gefühle) und Empathietraining. Nach den fünf Wochen verbesserten sich bei den Teilnehmenden die emotionale Intelligenz und der konstruktive Umgang mit Belastungen, besonders bei Menschen mit einer höheren Ausprägung von Angst und Depression.
Aufmerksamkeit schärfen, Ablenkung senken
Dass Achtsamkeitstraining nicht nur gefühlt, sondern auch objektiv die Aufmerksamkeit verbessert, zeigt eine Eye‑Tracking‑Studie, die im Fachjournal eNeuro publiziert wurde. 69 Erwachsene meditierten 30 Tage lang täglich 10–15 Minuten mit der App Headspace oder hörten als Kontrollgruppe im gleichen Zeitraum Hörbücher.
Vor und nach der Trainingsphase wurden standardisierte visuelle Suchaufgaben durchgeführt, während ein Eye‑Tracking‑System die Augenbewegungen erfasste. Die Meditierenden reagierten danach schneller auf relevante Reize, hielten den Blick länger auf den Zielobjekten und liessen sich seltener von Ablenkungen stören.
Diese Verbesserungen traten in allen Altersgruppen auf, von jungen Studierenden bis zu älteren Erwachsenen über 65 Jahren. Die Forscherinnen und Forscher der präregistrierten Studie sehen darin einen klaren Hinweis, dass schon kurze, regelmässige Meditationseinheiten die Fähigkeit zur Aufmerksamkeitssteuerung messbar stärken können, und dies unabhängig vom Alter.
Was im Gehirn passiert
Aktuell beschäftigen sich mehrere Studien und ein internationales Konsortium zudem mit den Auswirkungen von Meditationspraktiken auf das Gehirn, um neurologisch zu untersuchen, auf welche Bereiche sich die Trainings auswirken und wie nachhaltig die Veränderungen sind.
Eine umfangreiche Übersichtsstudie in Imaging Neuroscience hat bestehende Gehirnscans von langjährig Meditierenden ausgewertet. Mit regelmässiger Praxis ist demnach das “Aufmerksamkeitsnetzwerk” (Salienznetzwerk) im Hirn aktiver. Dieses hilft, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und Nebensächliches auszublenden. Zudem ist das “Ruhezustandsnetzwerk” (Default Mode Network) weniger aktiv. Dieses ist mit Abschweifen und Grübeln verknüpft. Die Studie erkannte auch Veränderungen in Hirnregionen, die mit Emotionskontrolle und Aufmerksamkeit zusammenhängen. Die Auswirkungen regelmässiger Meditation zeigen sich also nachweislich auch auf Gehirnscans in Regionen, die mit mehr Fokus und Konzentration, weniger Grübeln sowie besserer Gefühlsregulierung zusammenhängen.
Eine andere Übersichtsstudie im Journal of Cognitive Neuroscience hat untersucht, wie sich ein dauerhaft achtsamer Lebensstil im Gehirn widerspiegelt. Dabei zeigte sich in Gehirnscans, dass die Amygdala, ein Bereich, der stark an Angst- und Stressreaktionen beteiligt ist, bei achtsamen Menschen weniger empfindlich auf emotionale Reize reagiert. Auch hier fanden sich strukturelle Veränderungen, die auf eine bessere Emotions- und Aufmerksamkeitssteuerung hindeuten. Die Studie fand ebenfalls ein schwächer ausgeprägtes Default Mode Network, was erklären könnte, warum achtsame Menschen seltener in endlose Gedankenschleifen geraten. Achtsamkeit mit regelmässiger Praxis scheint das Gehirn so zu verändern, dass es weniger stressanfällig ist und mehr bewusste Kontrolle über Gedanken und Gefühle ermöglicht.
Noch nicht abgeschlossen ist ENIGMA Meditation, eine internationale Zusammenarbeit, die Daten aus vielen Ländern zusammenfasst und standardisiert, so dass die Resultate unabhängig vom Standort gelten sollen. Die Haupt-Analyse des Grossprojekts steht noch aus, erste Berichte dürften aber die Ergebnisse der beiden obengenannten Übersichtsstudien bekräftigen sowie diese noch präzisieren.
Was das für den Alltag bedeutet
Bereits jetzt lässt sich sagen, dass Achtsamkeitstraining wissenschaftlich fundiert funktioniert. Die Tendenz geht dabei weg vom stundenlangen Meditieren im Lotussitz, um die Erleuchtung zu erlangen. Achtsamkeit ist stattdessen ein Alltags-Skill, der in der digitalisierten Welt immer wichtiger wird. Und wie die Forschung zeigt, können schon kurze tägliche Einheiten mehr Fokus bringen, Impulse regulieren und die kreisenden Gedanken beruhigen.
Achtsamkeitstrainings gibt es in verschiedenen Formaten. Es gibt Programme wie MBSR oder MBCT, die wissenschaftlich untersucht sind und in wenigen Wochen für Erfolge sorgen. Körperübungen wie Autogenes Training, Yoga, Qigong, Tai Chi oder achtsames Gehen führen ebenfalls zu mehr Achtsamkeit. Und Achtsamkeitsmeditationen sind auch in Online-Programmen und Apps wie beispielsweise Headspace verfügbar.
Der Beginn kann klein sein, mit einzelnen Elementen der Achtsamkeitsprogramme. Beispielsweise ein Sinnes-Scan. Man setzt oder legt sich hin und richtet nacheinander die Aufmerksamkeit auf verschiedene Sinne. Konkret: 3 Dinge sehen, 3 Geräusche wahrnehmen, 3 Körperempfindungen fühlen. Auch Atemübungen eignen sich für den Einstieg. Das kann zuerst eine bewusste Bauchatmung sein und bis zur 4-7-8 Atemtechnik (4 Sekunden einatmen, 7 Sekunden halten, 8 Sekunden ausatmen) gehen.
Mini-Übungen für Zwischendurch können ein bewusster Schluck Wasser, Tee oder Kaffee sein oder eine kleine Dehnübung. Dabei geht es darum, sich gänzlich auf den Schluck Wasser oder die gedehnten Muskeln zu fokussieren, bewusst zu spüren und so vom Alltag abzuschalten.
Die Forschung zeigt, dass sich das lohnt. Nach ein paar Wochen oder Monaten werden die Übungen und die Achtsamkeit zur Gewohnheit. Und man belohnt sich selber mit mehr Fokus, mehr Gelassenheit, besserer Emotionskontrolle, innerer Ruhe und besserem Schlaf.
Quellen
Medicine (Baltimore). 2025. Effect of mindfulness based cognitive therapy on rumination and post traumatic growth in patients with acute cerebral infarction. https://doi.org/10.1097/MD.0000000000042570
Frontiers in Psychiatry. 2025. The sustained effect of 5 week EmotionCore mindfulness training on emotion regulation and emotional intelligence. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2025.1622626
eNeuro. 2025. The effects of mindfulness meditation on mechanisms of attentional control in young and older adults. https://doi.org/10.1523/ENEURO.0356-23.2025
Imaging Neuroscience. 2025. Mindfulness, cognition, and long term meditators. https://direct.mit.edu/imag/article/doi/10.1162/IMAG.a.82/131537
Journal of Cognitive Neuroscience. 2025. The Mindful Brain: A systematic review of the neural correlates of trait mindfulness. https://doi.org/10.1162/jocn_a_02230
ENIGMA Meditation Consortium. 2025. Publications and updates. https://meditation.mgh.harvard.edu/publications/
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